BUNDESGERICHTSHOF SCHIESST AUF VERLAGE

und trifft die gesamte Buchkultur

Der Bundesgerichtshof hat am 21. April 2016 entschieden, dass die Verwertungsgesellschaft Wort keine Einnahmen aus Urheberrechten mehr pauschal an die Verlage auszahlen darf. Die Tantiemen stünden allein den Autoren zu. Damit sind Rückzahlungsansprüche an die Verlage zu befürchten.

 

Was als autor*innenfreundliche Entscheidung (miss)verstanden werden kann, wendet sich in Wahrheit auch gegen die Autor*innen. Denn durch die BGH-Entscheidung werden viele Verlage an die Grenzen der Rentabilität gebracht. Insolvente Verlage nutzen aber niemandem. Fallen die Verlage, fällt auch die Vermittlungsinstanz und Pufferzone zwischen der Autorschaft und Internetplayern mit historisch noch nie da gewesener Verwertungsbrutalität wie Google, Amazon und Co. Diese werden den dann vereinzelt agierenden Autor*innen künftig erst einmal richtig zeigen, wo es langgeht. Was da noch an Honoraren oder Unterstützung oder gar Autor*innenfreundlichkeit bleibt, steht in den Sternen ...

                        

Die VG Wort-Tantiemen machen bei Verlagen je nach Programm zweistellige Gewinnanteile aus. Das sind selbst bei kleineren Verlagen oft Summen im fünfstelligen Bereich. Von 2012 bis 2014 wurden zwar noch Tantiemen an die Verlage ausgeschüttet, allerdings nur unter Vorbehalt. Wenn diese Zahlungen nun zurückgeführt werden müssen - und dies ist zu befürchten -, gefährdet die Rückzahlung das laufende Geschäft. Kaum ein Verlag hat die Tantiemen der letzten Jahre auf einem Konto geparkt, sondern sie notwendigerweise in die Produktion fließen lassen, die anders im bisherigen Maße und angesichts der Härten des Buchmarktes gar nicht finanzierbar gewesen wäre.

 

Sollten die Verlage künftig keine Tantiemen mehr bekommen, sieht es schlimm aus - und zwar auch für Autor*innen. Denn Verlage investierten hohe Summen in deren Werke - unter anderem für Lektorate, Vertrieb oder Marketing. Sie bauen zudem neue Autor*innen auf und bündeln Aktivitäten, die diese für sich allein nicht auf die Beine bekämen, schon mangels Erfahrung.

 

Die BGH-Entscheidung ist fatal. Sie zerstört das bestehende und bewährte Gefüge, das besonders in Deutschland eine einzigartige Buchkultur hervorgebracht und überhaupt ermöglicht hat. Sie gefährdet auch das wesentliche Verhältnis zwischen Verlagen und Autor*innen als das eines vertrauensvollen Miteinanders. Ja, wir Verlage brauchen Autor*innen – Autor*innen brauchen aber auch uns Verlage. Ein paar Euro mehr von der VG Wort hilft der Autorschaft am Ende nicht, wenn die Verlage keine wirtschaftliche Kraft mehr haben, sich so um Manuskripte zu kümmern, wie ein professionelles Textniveau dies erfordert – und hier rede ich nur vom Bereich Lektorat. Wenn Bücher an Qualität verlieren, wenn das bisherige Marktgefüge torpediert wird und am Ende Autor*innen vereinzelt Verwertungsgiganten gegenüberstehen, verlieren alle Büchermenschen. Die Gewinner werden andere sein ...