Martina-Marie Liertz: Januarrot

Paperback | 120 Seiten | ISBN 978-3-89741-420-4

 

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Inhalt

Deborah Gronwald hat zwei Leidenschaften: Schuhe und Frauen. Eines trüben Wintertages erliegt sie spontan der Verlockung, sich an die roten Absätze einer Unbekannten zu heften. Auf diese Weise macht sie die Bekanntschaft der Schuhladenbesitzerin Louise und ist sofort fasziniert – allerdings stolpert sie damit unverhofft mitten in einen Mordfall. Ausgerechnet der Inhaber des Konkurrenzschuhgeschäfts ist zu Tode gekommen und an Louise Delbroucks edlen Pumps prangt ein höchst verdächtiger großer, hässlicher, rostbrauner Spritzer – Blut!

Louise sucht unschuldig Deborahs Nähe und scheint einer Affäre nicht abgeneigt zu sein. Doch Deborah hadert. Spielt Louise ein doppeltes Spiel? Mit Sicherheit hat sie ihre Geheimnisse – aber ist diese Frau eine Mörderin? Entschlossen geht Deborah den Fährten nach, die sie in ungeahnte Abgründe führen wird. Da findet sie noch einen zweiten Toten. Und: eine zweite Geliebte … Katrin. Das Kontrastprogramm zu Louise trägt grobe Wollsocken und Springerstiefel, denn die junge Frau arbeitet in einem der autonomen Berliner Frauenprojekte, denen Deborah beratend bei der Steuer unter die Arme greift. Und auch in Katrins Leben gibt es Abgründe.

Ob und wie Deborah sich letztlich zwischen Eleganz und Grobstrick entscheidet und am Ende beherzt und beharrlich auch die Morde aufklärt, liest sich höchst unterhaltsam. Kein Wunder, denn Martina-Marie Liertz lockt uns mit großer Erzählfreude, erheblichem Sprachtalent und einem kecken Augenzwinkern in die bunte Frauen- und Lesbenszene nach der Wiedervereinigung. Auch wenn seither ein paar Tage vergangen sind und nicht nur am Prenzlauer Berg die Uhren längst anders ticken, bleibt die Leselust an dieser literarischen Wiederentdeckung ungetrübt.

Leseprobe

Die eisernen Platten bildeten ein silbriges Muster, horizontale Rillen, vertikale Rillen, horizontale … Rolltreppen faszinieren mich. Auf den Stufen über mir stand ein Paar Füße. An dessen Schuhen sich meine Augen festsaugten, während wir aus dem Untergrund fuhren. Schuhe von Magli! Sowas sehe ich auf den ersten Blick. Graues Wildleder, die Absätze leuchtend rot.

Mein Blick schmiegte sich in die Linien dieser Schuhe. Göttin, was tat sie, wenn es inzwischen draußen regnete? Diese Schuhe waren es wert, bei Regen und Schnee barfuß zu gehen. Und nicht einmal in meinen dekadentesten Augenblicken würde ich es wagen, so etwas zu tragen. Die Frau vor mir aber spazierte ganz selbstverständlich aus dem U-Bahn-Aufgang hinaus in den Schneeregen und die Straße hinunter. Rote Absätze und das schwindende Licht dieses Januarsonntags. Ich vergaß das ziellose Streunen und die erste Melancholie dieses Jahres. Ging den Absätzen hinterher, um etwas Farbe in mein winterliches Leben zu bringen.

Im Dämmerlicht flatterten die grauroten, leuchtenden Schuhe.

Ich fing an, mit ihrem Klackern im Gleichschritt zu gehen. Schnell, dann wieder unvermutet langsam, in plötzlicher Erstarrung, wieder schnell, wie getrieben von Gedanken und Bildern. Erwartung? Freude? Furcht? Vor einem Schaufenster blieb sie stehen und ich mit ihr, und da konnte ich zum ersten Mal ihr Gesicht sehen. Knapp jenseits der vierzig, jene Falten von Welterfahrenheit um den Mund, die ich mit vierzig hoffentlich auch kultiviert haben würde. Eine unauffällige Lippenstiftfarbe, auffällig zur Blässe ihres Gesichts. Als hätte sie in ein rohes Steak gebissen.

Die Furcht beschleunigte ihre Schritte.

Sie trug sie in ihren blauen, glasigen Augen und in dem zusammengepressten Mund; in den verkrampften Kiefermuskeln und den Fingern, die am Mantelkragen zupften.

Vor dem spiegelnden Glas nahm sie die Kappe ab, setzte sie wieder auf, rückte sie zurecht. Sie trug einen Kurzhaarschnitt mit einem Hauch von Unbezähmbarkeit. Von dieser Pfeffer-und-Salz-Farbe, die ich so liebe ...